Dekarbonisierung der Schifffahrt: Ein neuer Kurs für die maritime Logistik

Governance & Regulatorik

Inhaltsverzeichnis

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31.10.2024

Als ein in Hamburg ansässiges Beratungsunternehmen verfolgt Five Glaciers Consulting die Entwicklungen in der Schifffahrtsbranche besonders genau. Die maritime Industrie spielt eine zentrale Rolle in der Stadt und darüber hinaus für die deutsche Wirtschaft. Die Schifffahrt ist und bleibt die effizienteste Methode Güter zu transportieren und sichert damit sowohl unser aller Grundbedürfnisse, als auch die Handlungsfähigkeit der Industrie. Geradedeshalb ist es uns ein Anliegen, die Fortschritte und Herausforderungen in der Dekarbonisierung der Schifffahrt zu verstehen und unsere Expertise in diesem Bereich kontinuierlich auszubauen.

Die Schifffahrtsbranche, die für etwa drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, steht vor einer großen Herausforderung: der Dekarbonisierung. Jahrzehntelang war das Ziel der Reedereien, Schiffe so kosteneffizient wie möglich zu betreiben. Doch inzwischen haben Regulatorik und ein verändertes Konsumverhalten den Fokus von reiner Kostenoptimierung um den des nachhaltigem Wirtschaftens erweitert. Die Branche arbeitet intensiv an der Reduktion ihrer Emissionen und setzt dabei auf eine Vielzahl von neuen Technologien zur Effizienzsteigerung und der Entwicklung und Implementierung innovativer Kraftstoffe.

Ein Beitrag zur globalen Energiewende

Rund 90 Prozent des Welthandels werden über den Seeweg transportiert, was die Schifffahrt zu einem der wichtigsten Transportsysteme weltweit macht. Gleichzeitig verursachen Containerfrachter durch ihre enormen Motoren erhebliche Mengen an CO2 und anderen Schadstoffen. Dies bedeutet, dass die Branche eine signifikante Verantwortung trägt, ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hat im letzten Jahr ihre Klimaschutzziele verschärft und konkrete Zwischenziele für die kommenden Jahre festgelegt, um eine Netto-Null bis 2050 zu erreichen.

Die neu verabschiedete Strategie der IMO wird als wichtiger Schritt hin zu einer klimafreundlicheren Schifffahrt gesehen und orientiert sich am Pariser Klimaabkommen und den Ambitionen der EU. Führende Vertreter der maritimen Wirtschaft und Frachteigner hatten zuvor auf internationalen Konferenzen wiederholt die Notwendigkeit eines globalen Regulierungsrahmens betont, um die Einführung von nahezu treibhausgasfreien Kraftstoffen global voranzutreiben und somit ein sogenanntes 'level playing field' zu schaffen. Darüber hinaus werden die Forderungen nach einem einheitlichen Transformationsplan für Antriebsstoffe und einer Beseitigung des Preisgefälles zwischen konventionellen und umweltfreundlichen Kraftstoffen lauter.

Herausforderungen des EU-Emissionshandels für die Schifffahrt

Während die großen Reedereien den international geltenden IMO-Plan zur Emissionsreduktion begrüßen, stehen einige Akteure den Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen im Rahmen des EU Green Deals kritischer gegenüber. Die EU plant, die Schifffahrt in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) zu integrieren und zudem die erlaubte CO2 Intensität der Antriebsstoffe jährlich zu reduzieren (FuelEu Maritime). Im Rahmen des Eu ETS müssen Reedereien für ihre CO2-Emissionen ETS-Zertifikate erwerben, wobei der CO2 Preis stetig ansteigt und die Menge der Zertifikate parallel verringert wird. Dies sorgt für finanzielle Belastungen, die vor allem europäische Reedereien im internationalen Wettbewerb benachteiligen könnten. Die Branche fordert deshalb eine Harmonisierung der europäischen Regelungen mit den globalen Klimaschutzstandards der IMO.

Die Auswirkungen des maritimen Emissionshandelssystems sind weitreichend: Fast alle Branchen, die auf den Seetransport angewiesen sind, werden direkt oder indirekt davon betroffen sein. Reedereien versuchen, die Kosten für ETS-Zertifikate an ihre Kunden weiterzugeben. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die ihren ökologischen Fußabdruck in der Lieferkette senken, nicht nur zur Dekarbonisierung beitragen, sondern auch möglicherweise finanzielle Vorteile erzielen können.

Barrieren für die Dekarbonisierung der Schifffahrt und Lösungsansätze

Ein zentraler Aspekt der Dekarbonisierung ist die Bereitstellung von alternativen, emissionsfreien Kraftstoffen wie Methanol oder Ammoniak. Laut einem Bericht der First Movers Coalition, in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group, gibt es jedoch zahlreiche Barrieren, die den Übergang verlangsamen. Mehr als 95 % der geplanten Projekte zur Produktion von emissionsfreien Schiffskraftstoffen haben noch keine finale Investitionsentscheidung (FID) erreicht. Diese Investitionsentscheidung ist jedoch entscheidend, um mit der Bauphase und der Skalierung der Produktion zu beginnen. Der Bericht betont, dass die Beseitigung dieser Barrieren entscheidend ist, um die Dekarbonisierung der Schifffahrt voranzutreiben. Es ist wichtig, dass die großen Akteure mit entsprechende Ressourcen als sogenannte 'first-mover' voragehen, um Wege zu ebnen und eine Richtung vorzugeben. Dazu gehören Initiativen wie die Entwicklung von "Green Corridors", die als gezielte Maßnahmen zur Einführung emissionsfreier Schiffsantriebe dienen.

Darüber hinaus sind Kooperationen zwischen Industriepartnern und verschiedenen Stakeholdern (Redereien, Häfen, Logistikunternehmen und Zulieferern etc.) von großer Bedeutung, um die Nachfrage nach alternativen Kraftstoffen zu bündeln und Skaleneffekte zu erzielen. Diese Partnerschaften sind ein wichtiger Schritt, um das Henne-Ei-Problem bei alternativen Kraftstoffen zu überwinden.

Alternative Kraftstoffe als Hoffnungsträger

Zentral für eine klimafreundlichere Schifffahrt sind nalternative ANtriefsstoffe. Aktuell fahren die meisten Frachter noch mit Schweröl oder Marine-Diesel, die aus Raffinerieabfällen stammen. Beide sind äußerst umweltschädlich. LNG (Flüssigerdgas) gilt als eine Zwischenlösung, die zwar die Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden reduziert, jedoch nur rund 20 Prozent weniger CO2 ausstößt. Zukünftige Alternativen wie grünes Methanol, Ammoniak und Wasserstoff werden als vielversprechende Optionen für einen klimaneutralen Antrieb der Containerflotten betrachtet. Diese maritimen E-Treibstoffe könnten, zumindest in der Theorie, dazu beitragen, die Klimabilanz der Schifffahrt drastisch zu verbessern.

Eine kritische Perspektive auf die Fortschritte

Obwohl es bereits erhebliche Fortschritte bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt gibt, bleibt die Realität dennoch komplex. Der größte Kritikpunkt liegt in der fehlenden Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und der schleppenden Umsetzung der Investitionsprojekte. Die meisten Pläne für emissionsfreie Kraftstoffe haben noch nicht die FID erreicht, was die Umsetzung verzögert. Außerdem bleibt das Preisgefälle zwischen fossilen und grünen Kraftstoffen bestehen, was die Einführung erschwert. Hier sind dringend weitergehende Maßnahmen nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit von grünen Kraftstoffen zu erhöhen und Anreize für Investitionen zu schaffen.

Die Schifffahrtsindustrie benötigt einen klaren, globalen Regulierungsrahmen, der von der IMO entwickelt und durchgeführt wird, um sicherzustellen, dass die Branche weltweit auf denselben Standards agiert. Ohne diesen Rahmen besteht die Gefahr, dass regionale Maßnahmen wie das europäische ETS nicht die gewünschte Wirkung erzielen und sogar zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Die Energiewende in der Schifffahrt ist im Gange

Die Praxis zeigt, dass die Energiewende in der Schifffahrt bereits begonnen hat. Mehr als die Hälfte der seit 2023 bestellten neuen Motoren konzentrieren sich auf Technologien für alternative Kraftstoffe. Das Interesse an der Nachrüstung bestehender Motoren steigt ebenfalls, wie auf der internationalen Schiffbaumesse SMM in Hamburg gezeigt wurde. Es wird erwartet, dass die Schifffahrt in den kommenden Jahren vermehrt auf innovative Kraftstoffe und emissionsarme Technologien umsteigen wird, um ihre Emissionen zu reduzieren und die Klimaziele zu erreichen.

Chancen für Unternehmen entlang der Lieferkette

Die Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Schifffahrt bieten nicht nur für Reedereien, sondern auch für Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette Chancen. Große Unternehmen können direkt bei Initiativen wie Zemba mitmachen, während kleinere Unternehmen von grünen Angeboten ihrer Spediteure profitieren können. Wer seinen ökologischen Fußabdruck im maritimen Transport reduziert, kann nicht nur seine Treibhausgasbilanz verbessern, sondern auch von künftigen Kosteneinsparungen profitieren.

Die Dekarbonisierung der Schifffahrt ist ein komplexes und langwieriges Unterfangen, aber die Branche ist bereit, diesen neuen Kurs zu fahren. Die Umstellung auf klimafreundlichere Kraftstoffe und die Einführung von Energieeffizienz-Ratings sind wichtige Schritte auf diesem Weg. Unternehmen, die jetzt handeln und in die Umstellung investieren, können langfristig von einer nachhaltigeren und effizienteren Lieferkette profitieren.

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