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Der Omnibus-Gesetzesvorschlag der EU ist offiziell: Was er für die Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen bedeutet

DATUM

26.2.2025

THEMEN

Governance & Regulatorik

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Am 26. Februar hat die Europäische Kommission eine tiefgreifende Überarbeitung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten präsentiert. Der Vorschlag, der weitgehend vorher öffentlich gewordenen Leaks entspricht, bedeutet eine drastische Reduzierung der Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen sowie eine erhebliche Einschränkung des Umfangs der Berichterstattung. Die Auswirkungen dieser Anpassungen, die sich auf Effizienz- und Wettbewerbsförderung berufen, könnten die nachhaltige Transformation europäischer Unternehmen nachhaltig verlangsamen.

Mehr Effizienz und weniger Verantwortung

Die Überarbeitung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) folgt der Logik, Unternehmen administrativ zu entlasten. Ein zentrales Element dieser Reform ist die Erhöhung der Schwellenwerte für die Berichtspflicht: Statt wie bisher Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden, trifft die Pflicht nun noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Zudem bleibt nur eines der beiden finanziellen Kriterien als Schwellenwert bestehen: >50 Mio. € Umsatz oder >25 Mio. € Bilanzsumme. In der Praxis bedeutet dies, dass mehr als 80 % der bislang berichtspflichtigen Unternehmen aus der Verpflichtung herausfallen.

Gleichzeitig wird ein "Stop-the-clock"-Mechanismus eingeführt, der Unternehmen, die ab 2025 oder 2026 erstmals berichten müssten, einen zweijährigen Aufschub gewährt. Viele dieser Unternehmen könnten letztlich gar nicht mehr zur Berichterstattung verpflichtet werden, da sie durch die neuen Schwellenwerte ohnehin aus dem Anwendungsbereich fallen.

Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zu einer großteils freiwilligen Aufgabe

Neben der Verringerung des betroffenen Unternehmenskreises wird auch der Umfang der Berichtspflichten deutlich reduziert. Die Europäische Kommission plant:

  • Eine starke Reduktion der verpflichtenden Datenpunkte in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Der Fokus soll künftig primär auf quantitativen KPIs liegen, viele qualitative Angaben werden optional.
  • Keine sektorspezifischen Standards mehr, was die Vergleichbarkeit innerhalb von Branchen erschwert.
  • Begrenzte Berichterstattung entlang der Wertschöpfungskette, insbesondere für KMU-Zulieferer, was Transparenz in den Lieferketten schwächen könnte.
  • Downgrade der Prüfungspflicht von "Reasonable Assurance" auf "Limited Assurance". Während "Reasonable Assurance" eine detaillierte, mit der Finanzberichterstattung vergleichbare Prüfung bedeutet, beschränkt sich "Limited Assurance" auf Plausibilitätsprüfungen mit geringeren Anforderungen an Nachweise.
  • Ein freiwilliger VSME-Standard als Orientierungshilfe für Unternehmen, die nicht mehr unter die CSRD fallen. Ob sich dieser als neuer Marktstandard etablieren wird oder zu einer weiteren Fragmentierung führt, bleibt abzuwarten.

EU-Taxonomie und CSDDD: Weniger Verpflichtungen für Unternehmen

Die EU-Taxonomie wird ebenfalls stark entschärft. Nur Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden und >450 Mio. € Umsatz müssen weiterhin berichten. Alle anderen Unternehmen können freiwillig berichten, wobei unklar bleibt, ob Banken und Investoren dennoch ESG-Daten einfordern werden.

Auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) verliert deutlich an Schärfe:

  • Unternehmen müssen nur noch ihre direkten Zulieferer überprüfen, während indirekte Lieferanten nicht mehr berücksichtigt werden müssen.
  • Der Zeitrahmen für die Umsetzung wird von zwei auf fünf Jahre verlängert.
  • Die geplanten Bußgelder werden abgeschwächt und sind nicht mehr an den globalen Umsatz des Unternehmens gekoppelt.

Einseitiger Fokus auf Bürokratieabbau auf Kosten der Nachhaltigkeit

Die Kommission begründet die Reform mit einer Reduzierung des administrativen Aufwands für Unternehmen. Doch was auf den ersten Blick wie eine pragmatische Vereinfachung erscheint, hat weitreichende Konsequenzen:

  • Weniger Transparenz: Durch die Reduktion der Datenpunkte und die Einschränkung der Prüfungstiefe wird die Vergleichbarkeit und Qualität von Nachhaltigkeitsberichten leiden.
  • Ein stark verringerter betroffener Unternehmenskreis negiert die positiven Effekte der breiten Berichterstattung, die bislang auch kleinere Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit bewegte.
  • Regulatorische Unsicherheit: Unternehmen, die bereits umfangreiche Reporting-Prozesse implementiert haben, müssen ihre Strategie überdenken und stehen vor der Frage, ob sich die bisherigen Investitionen noch lohnen.
  • Die freiwillige Berichterstattung könnte zu einer fragmentierten ESG-Landschaft führen, in der Unternehmen unterschiedliche Standards nutzen und Vergleichbarkeit erschwert wird.

Noch nicht beschlossen – aber die Richtung ist klar

Es bleibt zu betonen, dass dieser Vorschlag noch nicht final beschlossen ist. Der Entwurf wird nun im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert, eine Entscheidung könnte sich über Monate ziehen. Doch schon jetzt ist klar, dass der eingeschlagene Kurs die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU grundlegend verändern wird. Unternehmen sollten nicht vorschnell umsteuern, sondern ihre langfristige ESG-Strategie bewerten und sicherstellen, dass sie weiterhin belastbare Nachhaltigkeitsdaten liefern können. Die Entwicklungen sind so oder so ein herber Schlag für die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der europäischen Wirtschaftspolitik.

Weitere Informationen zum offiziellen Vorschlag der EU-Kommission finden Sie hier.

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Der Omnibus-Gesetzesvorschlag der EU ist offiziell: Was er für die Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen bedeutet

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26.2.2025

Am 26. Februar hat die Europäische Kommission eine tiefgreifende Überarbeitung der Nachhaltigkeitsberichtspflichten präsentiert. Der Vorschlag, der weitgehend vorher öffentlich gewordenen Leaks entspricht, bedeutet eine drastische Reduzierung der Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen sowie eine erhebliche Einschränkung des Umfangs der Berichterstattung. Die Auswirkungen dieser Anpassungen, die sich auf Effizienz- und Wettbewerbsförderung berufen, könnten die nachhaltige Transformation europäischer Unternehmen nachhaltig verlangsamen.

Mehr Effizienz und weniger Verantwortung

Die Überarbeitung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) folgt der Logik, Unternehmen administrativ zu entlasten. Ein zentrales Element dieser Reform ist die Erhöhung der Schwellenwerte für die Berichtspflicht: Statt wie bisher Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden, trifft die Pflicht nun noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden. Zudem bleibt nur eines der beiden finanziellen Kriterien als Schwellenwert bestehen: >50 Mio. € Umsatz oder >25 Mio. € Bilanzsumme. In der Praxis bedeutet dies, dass mehr als 80 % der bislang berichtspflichtigen Unternehmen aus der Verpflichtung herausfallen.

Gleichzeitig wird ein "Stop-the-clock"-Mechanismus eingeführt, der Unternehmen, die ab 2025 oder 2026 erstmals berichten müssten, einen zweijährigen Aufschub gewährt. Viele dieser Unternehmen könnten letztlich gar nicht mehr zur Berichterstattung verpflichtet werden, da sie durch die neuen Schwellenwerte ohnehin aus dem Anwendungsbereich fallen.

Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zu einer großteils freiwilligen Aufgabe

Neben der Verringerung des betroffenen Unternehmenskreises wird auch der Umfang der Berichtspflichten deutlich reduziert. Die Europäische Kommission plant:

  • Eine starke Reduktion der verpflichtenden Datenpunkte in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Der Fokus soll künftig primär auf quantitativen KPIs liegen, viele qualitative Angaben werden optional.
  • Keine sektorspezifischen Standards mehr, was die Vergleichbarkeit innerhalb von Branchen erschwert.
  • Begrenzte Berichterstattung entlang der Wertschöpfungskette, insbesondere für KMU-Zulieferer, was Transparenz in den Lieferketten schwächen könnte.
  • Downgrade der Prüfungspflicht von "Reasonable Assurance" auf "Limited Assurance". Während "Reasonable Assurance" eine detaillierte, mit der Finanzberichterstattung vergleichbare Prüfung bedeutet, beschränkt sich "Limited Assurance" auf Plausibilitätsprüfungen mit geringeren Anforderungen an Nachweise.
  • Ein freiwilliger VSME-Standard als Orientierungshilfe für Unternehmen, die nicht mehr unter die CSRD fallen. Ob sich dieser als neuer Marktstandard etablieren wird oder zu einer weiteren Fragmentierung führt, bleibt abzuwarten.

EU-Taxonomie und CSDDD: Weniger Verpflichtungen für Unternehmen

Die EU-Taxonomie wird ebenfalls stark entschärft. Nur Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden und >450 Mio. € Umsatz müssen weiterhin berichten. Alle anderen Unternehmen können freiwillig berichten, wobei unklar bleibt, ob Banken und Investoren dennoch ESG-Daten einfordern werden.

Auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) verliert deutlich an Schärfe:

  • Unternehmen müssen nur noch ihre direkten Zulieferer überprüfen, während indirekte Lieferanten nicht mehr berücksichtigt werden müssen.
  • Der Zeitrahmen für die Umsetzung wird von zwei auf fünf Jahre verlängert.
  • Die geplanten Bußgelder werden abgeschwächt und sind nicht mehr an den globalen Umsatz des Unternehmens gekoppelt.

Einseitiger Fokus auf Bürokratieabbau auf Kosten der Nachhaltigkeit

Die Kommission begründet die Reform mit einer Reduzierung des administrativen Aufwands für Unternehmen. Doch was auf den ersten Blick wie eine pragmatische Vereinfachung erscheint, hat weitreichende Konsequenzen:

  • Weniger Transparenz: Durch die Reduktion der Datenpunkte und die Einschränkung der Prüfungstiefe wird die Vergleichbarkeit und Qualität von Nachhaltigkeitsberichten leiden.
  • Ein stark verringerter betroffener Unternehmenskreis negiert die positiven Effekte der breiten Berichterstattung, die bislang auch kleinere Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit bewegte.
  • Regulatorische Unsicherheit: Unternehmen, die bereits umfangreiche Reporting-Prozesse implementiert haben, müssen ihre Strategie überdenken und stehen vor der Frage, ob sich die bisherigen Investitionen noch lohnen.
  • Die freiwillige Berichterstattung könnte zu einer fragmentierten ESG-Landschaft führen, in der Unternehmen unterschiedliche Standards nutzen und Vergleichbarkeit erschwert wird.

Noch nicht beschlossen – aber die Richtung ist klar

Es bleibt zu betonen, dass dieser Vorschlag noch nicht final beschlossen ist. Der Entwurf wird nun im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert, eine Entscheidung könnte sich über Monate ziehen. Doch schon jetzt ist klar, dass der eingeschlagene Kurs die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU grundlegend verändern wird. Unternehmen sollten nicht vorschnell umsteuern, sondern ihre langfristige ESG-Strategie bewerten und sicherstellen, dass sie weiterhin belastbare Nachhaltigkeitsdaten liefern können. Die Entwicklungen sind so oder so ein herber Schlag für die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der europäischen Wirtschaftspolitik.

Weitere Informationen zum offiziellen Vorschlag der EU-Kommission finden Sie hier.

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