Nachhaltigkeitsberichterstattung für nicht-börsennotierte KMUs: Ein umfassender Leitfaden zu den VSME-ESRS

Governance & Regulatorik
Best Practices

Inhaltsverzeichnis

8
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27.6.2024

In der Welt der Nachhaltigkeitsberichterstattung ebnet die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) den Weg für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit zwei verschiedenen Sätzen vereinfachter Standards. Die Standards ergänzen das bestehende Rahmenwerk für die Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS), das hauptsächlich für große Unternehmen unter der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) gilt. Diese Standards zielen darauf ab, die Berichtsanforderungen für börsennotierte und nicht börsennotierte KMU durch angemessene Offenlegungspflichten zu adressieren.

Dieser Artikel basiert auf den neuesten Informationen zu den von EFRAG entwickelten LSME (für börsennotierte KMU) und VSME-Standards. Da sich die Standards weiterentwickeln, werden die Leser ermutigt, auf dem Laufenden zu bleiben.

Warum gibt es diese zusätzlichen Standards?

Die ESRS für börsennotierte KMU (LSME) stellen einen verpflichtenden Satz von Offenlegungsanforderungen dar. Die Freiwilligen ESRS für KMU (VSME) bieten jedoch ein umfassendes Rahmenwerk für nicht-börsennotierte KMU, um ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern. EFRAGs Hauptziel ist es, die Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU zu vereinfachen, um der steigenden Nachfrage nach Nachhaltigkeitsdaten von großen Unternehmen gerecht zu werden, die Transparenz zu erhöhen und gleichzeitig die Ressourcen und Fähigkeiten der KMU zu berücksichtigen.

Als Ergänzung zu den Standards der CSRD verkörpern die Freiwilligen Europäischen Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung (VSME) eine wegweisende Initiative, die speziell für nicht-börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Rahmen der umfassenderen Nachhaltigkeitsinitiativen der EU entwickelt wurde. Diese freiwilligen Standards, die derzeit in Entwicklung sind, sollen KMU dabei unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern, insbesondere wenn sie Teil der Wertschöpfungskette größerer, regulierter Unternehmen sind, die ihre Nachhaltigkeitsanforderungen offenlegen müssen. Im Gegensatz zu den verpflichtenden Standards bietet der VSME-Rahmenwerk nicht-börsennotierten KMU die Flexibilität, sich nach eigenem Ermessen an der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beteiligen, und schafft gleichzeitig einen dynamischen Weg für nachhaltige Geschäftspraktiken in unterschiedlichen Unternehmen.

Wesentliche Ziele umfassen:

  • Einbindung in die Transformation: KMU aktiv in den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft einzubinden.
  • Zugang zu nachhaltiger Finanzierung: KMU den Zugang zu nachhaltigen Finanzkanälen zu erleichtern, während das Risiko eines unfairen Wettbewerbs mit größeren, börsennotierten Unternehmen minimiert wird.
  • Kostenwirksamer Übergang: Finanzielle Belastungen für KMU zu vermeiden, indem die Kosten ihres Nachhaltigkeitsübergangs nicht erhöht werden.
  • Angemessene Nachhaltigkeitskriterien: Sicherzustellen, dass KMU angemessene Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, wie sie von den Stakeholdern gefordert werden.
  • Minderung der Kaskadeneffekte: Aktive Maßnahmen zur Minderung negativer Auswirkungen des sogenannten Kaskadeneffekts.

Die CSRD und EFRAGs ESRS verstehen: Katalysatoren für nachhaltige Finanzierung

Um die VSME zu verstehen, ist ein kurzer Überblick über ihre grundlegenden Pfeiler erforderlich - die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS).

Die CSRD, die im April 2021 von der Europäischen Kommission als Eckpfeiler des EU Green Deal und der Sustainable Finance Initiative gestartet wurde, stellt einen transformativen Schritt in der Unternehmensberichterstattung dar. Ihre Annahme durch das EU-Parlament im November 2022 und die offizielle Implementierung im Januar 2023 markierten einen bedeutenden legislativen Fortschritt mit erheblichen Auswirkungen auf Unternehmen, die unter ihren Geltungsbereich fallen.

Diese Richtlinie stellt eine Verbesserung und Erweiterung der bestehenden Non-Financial Reporting Directive (NFRD) dar. Ihr Geltungsbereich wurde erweitert und umfasst nun 49.000 Unternehmen, die einen umfassenderen Ansatz für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verlangen.

Ein Beispiel hierfür ist die Einführung der Doppelten Wesentlichkeitsbewertung, die verlangt, dass Unternehmen nicht nur darüber berichten, wie Nachhaltigkeitsfragen finanzielle Risiken darstellen könnten, sondern auch ihre eigenen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt identifizieren und kommunizieren. Darüber hinaus führt die CSRD ein verpflichtendes Rahmenwerk für Prüf- und Auditprozesse ein, um ein höheres Maß an Verantwortlichkeit im Berichtswesen sicherzustellen.

Um die ehrgeizigen Ziele der CSRD umzusetzen, übernahm die EFRAG die Rolle des technischen Beraters der Europäischen Kommission und entwickelte detaillierte Leitlinien und Metriken, die für die Umsetzung nachhaltiger Berichterstattungspraktiken unerlässlich sind. Die ESRS wurden als Fahrplan für Unternehmen konzipiert, die durch die Komplexitäten der Nachhaltigkeitsberichterstattung navigieren und einen strukturierten Ansatz zur Berichterstattung ihrer Umwelt-, Sozial- und Governance-Auswirkungen (ESG) bieten.

LSME und VSME: Eine Antwort auf den Ruf nach Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU

Der 2022 Flash Eurobarometer enthüllt interessante Einblicke auf EU-Ebene in Bezug auf KMU-Initiativen zur Nachhaltigkeit, basierend auf einer Umfrage, die von November bis Dezember 2021 durchgeführt wurde:

  • Fast 20 % der KMU arbeiten strategisch auf Klimaneutralität hin, wobei 4 % behaupten, dieses Ziel bereits erreicht zu haben. Darüber hinaus bieten 31,6 % der KMU aktiv grüne Produkte und Dienstleistungen an.
  • Ein beträchtlicher Anteil von 89 % der KMU führt Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz durch, wobei fast ein Drittel nur geringe Hindernisse bei der Umsetzung solcher Maßnahmen sieht. Etwa 26,6 % betrachten die damit verbundenen Kosten als Hemmschuh.
  • Beim Thema Finanzierung von grünen Initiativen verlassen sich 62 % der KMU auf ihre internen Finanzressourcen. Externe Unterstützung erfolgt ausgewogen, wobei 20 % auf öffentliche Mittel und weitere 20 % auf private Finanzierung durch Banken, Investmentgesellschaften oder Risikokapitalfonds zurückgreifen. Nicht-finanzielle Unterstützung, wie Beratung, wird überwiegend von Partnern in der Lieferkette (35 %), Unternehmensverbänden und Clustern (23 %) sowie privaten Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (21 %) in Anspruch genommen.

Die Bausteine des VSME-Rahmens

Der VSME-Standard ist ein freiwilliges Rahmenwerk, das speziell für Unternehmen konzipiert wurde, deren Wertpapiere nicht an regulierten Märkten innerhalb der Europäischen Union gehandelt werden. Er definiert und kategorisiert kleine und mittlere Unternehmen in drei Gruppen, basierend auf ihrer Bilanzsumme, dem Nettoumsatz und der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl während des Geschäftsjahres.

Obwohl nicht-börsennotierte KMU außerhalb des regulatorischen Rahmens der CSRD fallen, werden sie aktiv ermutigt, den VSME-Standard anzunehmen. Dieser deckt ähnliche Nachhaltigkeitsthemen ab wie die ESRS für größere Unternehmen und operiert nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

Dieser Ansatz stellt sicher, dass die Berichterstattung auf die grundlegenden Merkmale jedes Unternehmens abgestimmt ist und einen angepassten Weg zur nachhaltigen Berichterstattung bietet, der die wesentlichen Merkmale der Unternehmen berücksichtigt.

Wer unterliegt der CSRD: Berichterstattungsschwellen

Ähnlich wie die CSRD definiert der VSME-Standard Anforderungen, die es nicht-börsennotierten KMU ermöglichen, relevante Informationen über die negativen Auswirkungen ihres Geschäfts auf Menschen und Umwelt offenzulegen sowie darüber, wie Umwelt- und Sozialfragen ihren finanziellen Status, ihre Leistung und ihre Cashflows beeinflussen könnten.

Der Standard ist in drei Module unterteilt: das Basismodul, das Narrative-Policies, Actions and Targets (PAT) Modul und das Business Partners Modul. Basierend auf den spezifischen Aktivitäten der nicht-börsennotierten KMU werden zusätzliche Informationen (Metriken und Narrative, die nicht im Standard angegeben sind) erforderlich sein, um häufige sektorspezifische Probleme zu adressieren. Der Nachhaltigkeitsbericht sollte schließlich Informationen liefern, die relevant, glaubwürdig, vergleichbar, verständlich und überprüfbar sind.

Basismodul

Das Basismodul skizziert relevante Anforderungen und Metriken, die sich auf die Umwelt-, Sozial- und Geschäftspraktiken der nicht-börsennotierten KMU konzentrieren. Vergleichbare Informationen im Vergleich zum Vorjahr werden ab dem zweiten Berichtsjahr verlangt. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist für die Offenlegung dieser Anforderungen nicht erforderlich. Unten finden Sie eine detaillierte Liste der Offenlegungen und Metriken, die vom Basismodul gefordert werden.

Offenlegungen für das Basismodul

  • Offenlegung B 1 – Grundlagen der Erstellung
  • Offenlegung B 2 – Praktiken für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft

Grundlegende Metriken - Umwelt

  • B 3 – Energie- und Treibhausgasemissionen
  • B 4 – Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung
  • B 5 – Biodiversität
  • B 6 – Wasser
  • B 7 – Ressourcennutzung, Kreislaufwirtschaft und Abfallmanagement

Grundlegende Metriken – Soziale Belange

  • B 8 – Belegschaft – Allgemeine Merkmale
  • B 9 – Belegschaft – Gesundheit und Sicherheit
  • B 10 – Belegschaft – Vergütung, Tarifverhandlungen und Schulung

Grundlegende Metriken - Geschäftspraktiken

  • B 11 – Verurteilungen und Geldbußen wegen Korruption und Bestechung

Narrative-PAT (Policies, Actions, and Targets) Modul

Dieses Modul definiert narrative Offenlegungen in Bezug auf Richtlinien, Maßnahmen und Ziele (PAT), die zusätzlich zu den Offenlegungen im Basismodul gemeldet werden müssen, falls das Unternehmen diese implementiert hat. Dieses Modul wird für Unternehmen vorgeschlagen, die formalisierte und implementierte PAT haben.

Eine Wesentlichkeitsanalyse ist erforderlich, um offenzulegen, welche Nachhaltigkeitsthemen für das Unternehmen relevant sind, zusätzlich zu einer kurzen Beschreibung, wie diese Themen durch bestehende oder zukünftige Richtlinien, Maßnahmen und/oder Ziele verwaltet werden. Die Einbindung von Schlüsselinteressenten ist ebenfalls erforderlich. Hier sind die Narrative-PAT-Offenlegungen.

Offenlegungen für das Narrative-PAT Modul

  • Offenlegung N 1 – Strategie: Geschäftsmodell und nachhaltigkeitsbezogene Initiativen
  • Offenlegung N 2 – Wesentliche Nachhaltigkeitsthemen
  • Offenlegung N 3 – Management wesentlicher Nachhaltigkeitsthemen
  • Offenlegung N 4 – Schlüsselinteressenten
  • Offenlegung N 5 – Governance: Verantwortlichkeiten in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen

Business Partners Modul

Dieses Modul legt Datenpunkte fest, die zusätzlich zu den Offenlegungen im Basismodul gemeldet werden müssen und voraussichtlich in Datenanfragen von Kreditgebern, Investoren und Unternehmenskunden des Unternehmens enthalten sein werden. Eine Wesentlichkeitsanalyse ist erforderlich, um offenzulegen, welche Nachhaltigkeitsthemen für das Unternehmen relevant sind.

Hier sind die Offenlegungen für das Business Partners Modul.

Offenlegungen für das Business Partners Modul

  • Offenlegung BP 1 – Einnahmen aus bestimmten Sektoren
  • Offenlegung BP 2 – Verantwortlichkeiten in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen
  • Offenlegung BP 3 – Ziel zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen
  • Offenlegung BP 4 – Übergangsplan zur Minderung des Klimawandels
  • Offenlegung BP 5 – Physische Risiken durch den Klimawandel
  • Offenlegung BP 6 – Verhältnis von gefährlichem und radioaktivem Abfall
  • Offenlegung BP 7 – Ausrichtung an international anerkannten Instrumenten
  • Offenlegung BP 8 – Prozesse zur Überwachung der Einhaltung und Mechanismen zur Behebung von Verstößen
  • Offenlegung BP 9 – Verstöße gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die UN-Leitprinzipien
  • Offenlegung BP 10 – Work-Life-Balance
  • Offenlegung BP 11 – Anzahl der Auszubildenden

Anpassung der VSME-Module

Nicht-börsennotierte KMU können ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung unter dem VSME-Standard gestalten, indem sie spezifische Module wählen, die mit ihren strategischen Zielen übereinstimmen. Vier unterschiedliche Optionen stehen diesen Unternehmen zur Verfügung:

  1. Option A: Diese fokussierte Wahl konzentriert sich auf das Basismodul.
  2. Option B: Für eine umfassendere Berichterstattung kombiniert diese Option das Basismodul mit dem Narrative-Modul und befasst sich mit Richtlinien, Maßnahmen und Zielen. Diese Option führt auch eine Doppelwesentlichkeitsbewertung ein.
  3. Option C: Diese Option, die auf transparente Geschäftsbeziehungen abzielt, umfasst das Basismodul und das Business Partners Modul. Sie integriert ebenfalls eine Doppelwesentlichkeitsbewertung.
  4. Option D: Die umfassendste Wahl umfasst alle Module – Basis, Narrative und Business Partners. Verstärkt durch die Doppelwesentlichkeitsbewertung, bietet diese Option einen umfassenden und gut abgerundeten Ansatz zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Unter dem VSME müssen nicht-börsennotierte KMU auch angeben, ob ihr Nachhaltigkeitsbericht Informationen von Tochtergesellschaften (konsolidiert) enthält oder individuell erstellt wurde.

Wichtige Hinweise:

  • Der derzeitige Berichtsrahmen für die Basis- und Narrativmodule umfasst nicht die Scope-3-Treibhausgasemissionen, die ausschließlich im Modul für Geschäftspartner adressiert werden. Außerdem sind die KPIs der EU-Taxonomie derzeit ebenfalls ausgeschlossen. Es ist auch wichtig zu betonen, dass alle offiziellen EU-Sprachen für die Offenlegungen akzeptiert werden.

Fazit

Die Einführung der VSME-Standards bietet nicht-börsennotierten KMU eine flexible und proportional an ihre Bedürfnisse angepasste Möglichkeit zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese Standards fördern nicht nur die Transparenz und das nachhaltige Wirtschaften, sondern erleichtern auch den Zugang zu nachhaltiger Finanzierung und stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Durch die Anpassung der Berichtsanforderungen an die spezifischen Merkmale und Fähigkeiten der KMU wird sichergestellt, dass diese Unternehmen aktiv zum Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen können.

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