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Policy-Update: Nachhaltigkeit unter neuer Regierung – Entlastung mit Augenmaß?

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11.4.2025

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Governance & Regulatorik

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Die neue Bundesregierung hat am 9. April 2025 ihren Koalitionsvertrag vorgestellt – und damit eine politische Richtungsentscheidung getroffen, die auch Unternehmen mit Nachhaltigkeitsbezug unmittelbar betrifft. Zwischen regulatorischer Entlastung, strategischer Kurskorrektur und langfristigen Zielsetzungen offenbart der Vertrag einen politischen Spagat: Transformation ja, aber bitte mit Augenmaß.

Wir haben für Sie die drei zentralen Hebel unter die Lupe genommen:

1. Lieferkettensorgfalt: LkSG abgeschafft – und jetzt?

Das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wird gestrichen. Berichtspflichten entfallen sofort, Sorgfaltspflichten bleiben jedoch bestehen – eingeschränkt auf Fälle „massiver Menschenrechtsverletzungen“ bis zur Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD).

Was bedeutet das für Unternehmen?

  • Die geplante Umsetzung der CSDDD wird sich laut Omnibus-Vorschlag auf Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden und >450 Mio. € Umsatz konzentrieren. Die nationalen Umsetzungsfristen sehen eine verpflichtende Anwendung ab 2027 bzw. gestaffelt bis 2029 vor.
  • Inhaltlich bringt die CSDDD ein umfassendes Sorgfaltsregime mit sich: Risikoanalyse, Abhilfemaßnahmen, Lieferkettenintegration, Monitoring und Kommunikation.
  • Die Aufweichung des LkSG darf nicht mit regulatorischer Entwarnung verwechselt werden. Vielmehr ergibt sich jetzt ein Zeitfenster, um Prozesse zu verschlanken, an OECD-Standards auszurichten und Abteilungen strategisch zu positionieren.

Unser Rat: Nutzen Sie die Zeit zur Reorganisation statt zur Pause. Wer heute prüft, fokussiert und ausbaut, wird morgen schneller compliant – und überzeugender gegenüber Kunden, Investoren und Geschäftspartnern.

2. Klimaneutralität bleibt Ziel – aber mit gedämpftem Innovationsschub

„Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden.“ So lautet die vielleicht zentrale Formel des Koalitionsvertrags. Das Zieljahr 2045 bleibt, ebenso das Zwischenziel der EU (-90 % THG bis 2040). Doch der Weg dorthin wird vorsichtig austariert:

  • CO₂-Reduktion im Inland hat Priorität, ergänzt durch negative Emissionen (z. B. DAC, CCS) und begrenzt durch CO₂-Projekte in Drittstaaten (max. 3 % Anrechenbarkeit)
  • Der nationale Emissionshandel (BEHG) wird in den EU-ETS 2 überführt – mit Opt-out für die Landwirtschaft
  • CO₂-Bepreisung bleibt zentraler Hebel, sozial abgefedert durch Fördermaßnahmen (z. B. für Wohnen und Mobilität)

Was heißt das für Unternehmen?

  • Das 2045-Ziel bedeutet je nach Branche: Scope-1- und -2-Emissionen bis 2035 drastisch senken, Scope-3-Emissionen aktiv in Lieferketten und Produktdesign adressieren
  • Spätestens ab 2027 greifen flächendeckendere Preiswirkungen durch ETS 2 – auch für bislang nicht regulierte Sektoren
  • Verpasste Chancen: Der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft bleibt vage, CCS-Regelungen sind rechtlich noch nicht ausgereift, und ein verbindlicher Transformationsfahrplan fehlt

Unser Rat: Jetzt strategische Emissionspfade skizzieren, Investitionen vorbereiten und Transparenz in Richtung Kapitalmarkt und Stakeholder erhöhen. Wer wartet, verliert nicht nur Zeit – sondern auch Vertrauen.

3. Omnibus & Bürokratieabbau: Weniger Papier – mehr Wirksamkeit?

Der vielzitierte „Omnibus“ der EU-Kommission bekommt Rückenwind: Die Bundesregierung unterstützt die Pläne zur Vereinfachung und Verschiebung zentraler ESG-Regelwerke.

Im Fokus stehen:

  • CSRD: Verlängerte Übergangsfristen für KMUs (vermutlich bis 2028), Reduktion des Umfangs bei Berichtsanforderungen
  • CSDDD: Vereinfachte Umsetzung in nationales Recht mit Fokus auf Vollzugstauglichkeit
  • CBAM: Weniger Komplexität im CO₂-Grenzausgleich, Exportausgleiche bleiben möglich
  • Taxonomie & EUDR: Deutschland will gegen überbordende Nachweislasten vorgehen, z. B. durch Ablehnung des EU-Bodengesetzes und Anwendung der „Null-Risiko“-Variante bei der Entwaldungsverordnung

Zudem geplant:

  • Wegfall unnötiger Berichtspflichten
  • Auflösung von Kleinstförderprogrammen <50 Mio. € im Klima- und Transformationsfonds (KTF)
  • Reduktion von Schulungs- und Dokumentationspflichten für KMUs

Unsere Einschätzung: Diese Maßnahmen können Unternehmen entlasten – insbesondere im Mittelstand. Sie dürfen aber nicht als Signal zur ESG-Rückabwicklung missverstanden werden. Wer Substanz liefert, profitiert doppelt: von geringerer Last und gestiegener Glaubwürdigkeit.

4. Weitere ESG-relevante Weichenstellungen im Überblick

Kreislaufwirtschaft:

  • Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs, Digitalisierung von Stoffströmen
  • Förderung von Projekten zur Rohstoffgewinnung in Europa (z. B. Lithium, Salz)
  • Erweiterte Herstellerverantwortung im Textil- und Elektronikbereich

Umwelt- und Naturschutz:

  • Vereinfachung von UVP-Verfahren und des Umweltinformationsgesetzes
  • Verstetigung des Moorschutzprogramms und Förderung von Ökosystemleistungen
  • Umsetzung der nationalen Wasserstrategie mit Fokus auf Klimaanpassung

Strukturförderung:

  • Strukturstärkungsmittel im Rahmen des Kohleausstiegs bleiben erhalten
  • Ein „Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung“ unterstützt Kommunen

Fazit: ESG bleibt Pflicht – aber wird flexibler und strategischer

Der Koalitionsvertrag bringt keinen Bruch, aber eine erkennbare Neujustierung: Die Umsetzung bleibt ambitioniert, wird jedoch stärker mit Wettbewerbsfähigkeit und Praxisorientierung abgeglichen.

Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch denken, profitieren von diesem Kurs: Sie sichern sich regulatorische Stabilität, Marktzugänge und Relevanz für Stakeholder.

Five Glaciers Consulting unterstützt Sie dabei – mit Pragmatismus, Systematik und Branchenverständnis. Kommen Sie für Fragen gerne auf uns zu!

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11.4.2025

Die neue Bundesregierung hat am 9. April 2025 ihren Koalitionsvertrag vorgestellt – und damit eine politische Richtungsentscheidung getroffen, die auch Unternehmen mit Nachhaltigkeitsbezug unmittelbar betrifft. Zwischen regulatorischer Entlastung, strategischer Kurskorrektur und langfristigen Zielsetzungen offenbart der Vertrag einen politischen Spagat: Transformation ja, aber bitte mit Augenmaß.

Wir haben für Sie die drei zentralen Hebel unter die Lupe genommen:

1. Lieferkettensorgfalt: LkSG abgeschafft – und jetzt?

Das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wird gestrichen. Berichtspflichten entfallen sofort, Sorgfaltspflichten bleiben jedoch bestehen – eingeschränkt auf Fälle „massiver Menschenrechtsverletzungen“ bis zur Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD).

Was bedeutet das für Unternehmen?

  • Die geplante Umsetzung der CSDDD wird sich laut Omnibus-Vorschlag auf Unternehmen mit >1.000 Mitarbeitenden und >450 Mio. € Umsatz konzentrieren. Die nationalen Umsetzungsfristen sehen eine verpflichtende Anwendung ab 2027 bzw. gestaffelt bis 2029 vor.
  • Inhaltlich bringt die CSDDD ein umfassendes Sorgfaltsregime mit sich: Risikoanalyse, Abhilfemaßnahmen, Lieferkettenintegration, Monitoring und Kommunikation.
  • Die Aufweichung des LkSG darf nicht mit regulatorischer Entwarnung verwechselt werden. Vielmehr ergibt sich jetzt ein Zeitfenster, um Prozesse zu verschlanken, an OECD-Standards auszurichten und Abteilungen strategisch zu positionieren.

Unser Rat: Nutzen Sie die Zeit zur Reorganisation statt zur Pause. Wer heute prüft, fokussiert und ausbaut, wird morgen schneller compliant – und überzeugender gegenüber Kunden, Investoren und Geschäftspartnern.

2. Klimaneutralität bleibt Ziel – aber mit gedämpftem Innovationsschub

„Wir wollen Industrieland bleiben und klimaneutral werden.“ So lautet die vielleicht zentrale Formel des Koalitionsvertrags. Das Zieljahr 2045 bleibt, ebenso das Zwischenziel der EU (-90 % THG bis 2040). Doch der Weg dorthin wird vorsichtig austariert:

  • CO₂-Reduktion im Inland hat Priorität, ergänzt durch negative Emissionen (z. B. DAC, CCS) und begrenzt durch CO₂-Projekte in Drittstaaten (max. 3 % Anrechenbarkeit)
  • Der nationale Emissionshandel (BEHG) wird in den EU-ETS 2 überführt – mit Opt-out für die Landwirtschaft
  • CO₂-Bepreisung bleibt zentraler Hebel, sozial abgefedert durch Fördermaßnahmen (z. B. für Wohnen und Mobilität)

Was heißt das für Unternehmen?

  • Das 2045-Ziel bedeutet je nach Branche: Scope-1- und -2-Emissionen bis 2035 drastisch senken, Scope-3-Emissionen aktiv in Lieferketten und Produktdesign adressieren
  • Spätestens ab 2027 greifen flächendeckendere Preiswirkungen durch ETS 2 – auch für bislang nicht regulierte Sektoren
  • Verpasste Chancen: Der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft bleibt vage, CCS-Regelungen sind rechtlich noch nicht ausgereift, und ein verbindlicher Transformationsfahrplan fehlt

Unser Rat: Jetzt strategische Emissionspfade skizzieren, Investitionen vorbereiten und Transparenz in Richtung Kapitalmarkt und Stakeholder erhöhen. Wer wartet, verliert nicht nur Zeit – sondern auch Vertrauen.

3. Omnibus & Bürokratieabbau: Weniger Papier – mehr Wirksamkeit?

Der vielzitierte „Omnibus“ der EU-Kommission bekommt Rückenwind: Die Bundesregierung unterstützt die Pläne zur Vereinfachung und Verschiebung zentraler ESG-Regelwerke.

Im Fokus stehen:

  • CSRD: Verlängerte Übergangsfristen für KMUs (vermutlich bis 2028), Reduktion des Umfangs bei Berichtsanforderungen
  • CSDDD: Vereinfachte Umsetzung in nationales Recht mit Fokus auf Vollzugstauglichkeit
  • CBAM: Weniger Komplexität im CO₂-Grenzausgleich, Exportausgleiche bleiben möglich
  • Taxonomie & EUDR: Deutschland will gegen überbordende Nachweislasten vorgehen, z. B. durch Ablehnung des EU-Bodengesetzes und Anwendung der „Null-Risiko“-Variante bei der Entwaldungsverordnung

Zudem geplant:

  • Wegfall unnötiger Berichtspflichten
  • Auflösung von Kleinstförderprogrammen <50 Mio. € im Klima- und Transformationsfonds (KTF)
  • Reduktion von Schulungs- und Dokumentationspflichten für KMUs

Unsere Einschätzung: Diese Maßnahmen können Unternehmen entlasten – insbesondere im Mittelstand. Sie dürfen aber nicht als Signal zur ESG-Rückabwicklung missverstanden werden. Wer Substanz liefert, profitiert doppelt: von geringerer Last und gestiegener Glaubwürdigkeit.

4. Weitere ESG-relevante Weichenstellungen im Überblick

Kreislaufwirtschaft:

  • Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs, Digitalisierung von Stoffströmen
  • Förderung von Projekten zur Rohstoffgewinnung in Europa (z. B. Lithium, Salz)
  • Erweiterte Herstellerverantwortung im Textil- und Elektronikbereich

Umwelt- und Naturschutz:

  • Vereinfachung von UVP-Verfahren und des Umweltinformationsgesetzes
  • Verstetigung des Moorschutzprogramms und Förderung von Ökosystemleistungen
  • Umsetzung der nationalen Wasserstrategie mit Fokus auf Klimaanpassung

Strukturförderung:

  • Strukturstärkungsmittel im Rahmen des Kohleausstiegs bleiben erhalten
  • Ein „Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung“ unterstützt Kommunen

Fazit: ESG bleibt Pflicht – aber wird flexibler und strategischer

Der Koalitionsvertrag bringt keinen Bruch, aber eine erkennbare Neujustierung: Die Umsetzung bleibt ambitioniert, wird jedoch stärker mit Wettbewerbsfähigkeit und Praxisorientierung abgeglichen.

Unternehmen, die Nachhaltigkeit strategisch denken, profitieren von diesem Kurs: Sie sichern sich regulatorische Stabilität, Marktzugänge und Relevanz für Stakeholder.

Five Glaciers Consulting unterstützt Sie dabei – mit Pragmatismus, Systematik und Branchenverständnis. Kommen Sie für Fragen gerne auf uns zu!

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